Projektbeschreibung
Motivation
Großschadenslagen, wie große Brandereignisse oder ein Massenanfall von Verletzten, stellen Führungs- und Einsatzkräfte immer wieder vor besondere Herausforderungen: Initial fehlt ein Überblick über die Lage, viele geraten in einen sogenannten „Tunnelblick“.
Studien haben gezeigt, dass vorgeplante Abläufe und Algorithmen oft falsch angewendet oder gar nicht beachtet werden. Daraus kann beispielsweise eine zeitliche Verzögerung bei Rettung und Versorgung von Verletzten resultieren. Es ist oftmals der erste Überblick, der den Einsatzleitern fehlt, um rechtzeitig eine Einschätzung von fehlenden Ressourcen und verfügbaren Potentialen in einem solchen Einsatz zu bekommen.
Ziele und Vorgehen
Ziel dieses Vorhabens ist es daher, einen Tele-Einsatzleiter nach Vorbild des Aachener Telenotarztes in die Szene einzubinden. Auch ein telemedizinischer Leitender Notarzt kann die Einsatzleitung unterstützen. Bei Alarmierung zu einer größeren Schadenslage rückt ein Einsatzleitwagen aus, der mehrere „unmanned aerial systems“, also Drohnen und einen leistungsstarken Rechner mit an Bord hat. In der Nähe der Einsatzstelle werden diese „Drohnen“ mit 360°-Kameras und einem Laser-basierten Abstandsmesser an Bord entsendet und suchen sich automatisiert einen geeigneten Landeplatz. Bereits im Anflug werden per Abstandsmessung Daten in Form einer 3D-Punktwolke gespeichert und mit den 360°-Videos übertragen, um die 3D-Rekonstruktion eines virtuellen Abbildes von der Einsatzstelle zu bekommen.
Innovationen und Perspektiven
Ein virtuelles Abbild der Einsatzlage spart wertvolle Zeit. Führungskräfte können sich noch vor Eintreffen an der Einsatzstelle ein Bild vom Schadensausmaß und dem medizinischen Behandlungsbedarf machen. Einsatzkräfte vor Ort können umgehend mit einer priorisierten Versorgung beginnen. Dies führt unweigerlich zu einer Beschleunigung und Optimierung der Patientenversorgung. Die Innovation in diesem Projekt liegt somit auch in dem besonders frühzeitigen, zielgerichteten und effizienten Einsatz der knappen verfügbaren Ressourcen bei einem Massenanfall von Verletzten.
News / Events
VR-Technik unterstützt Rettungskräfte bei Katastrophen-Einsätzen
Aachen, 07.09.2021 – VirtualDisaster, ein gemeinsames Forschungsprojekt der Berufsfeuerwehr Aachen, der RWTH Aachen und der TEMA Technologie Marketing AG hat das Ziel, die Rettungskräfte bei Einsätzen durch Virtual Reality (VR) zu unterstützen. Am 9. Oktober 2021 wird das System im Rahmen einer großen Übung in Aachen präsentiert.
VR-Technik unterstützt Rettungskräfte bei Katastrophen-Einsätzen
Erste Bewährungsprobe für Tele-Einsatzleitung mit Virtual Reality bei Übung in Aachen
Aachen, 13.10.2021 – VirtualDisaster ist ein gemeinsames Forschungsprojekt der Berufsfeuerwehr Aachen, der RWTH Aachen University und der TEMA Technologie Marketing AG. Ziel ist es, Rettungskräfte bei schwierigen Einsätzen durch Virtual Reality (VR) zu unterstützen. Am 9. Oktober 2021 wurde das System im Rahmen einer großen Übung in Aachen zum ersten Mal getestet.
VR-Technik unterstützt Rettungskräfte bei Katastrophen-Einsätzen
Erste Bewährungsprobe für Tele-Einsatzleitung mit Virtual Reality bei Übung in Aachen
Aachen, 13.10.2021 – VirtualDisaster ist ein gemeinsames Forschungsprojekt der Berufsfeuerwehr Aachen, der RWTH Aachen University und der TEMA Technologie Marketing AG. Ziel ist es, Rettungskräfte bei schwierigen Einsätzen durch Virtual Reality (VR) zu unterstützen. Am 9. Oktober 2021 wurde das System im Rahmen einer großen Übung in Aachen zum ersten Mal getestet.
Bei Großschadenslagen wie zum Beispiel Unfällen mit vielen Verletzten (MANV – Massenanfall von Verletzten), Brandereignissen oder Hochwasser brauchen die Rettungskräfte möglichst schnell einen umfassenden Überblick. Was ist passiert, wie viele Verletzte gibt es, wo befinden sich diese, wie sind die Zugangsmöglichkeiten? Insbesondere zu Beginn eines Einsatzes sind zuverlässige Antworten auf solche und ähnlich Fragen sehr wichtig, um die benötigten Ressourcen anzufordern und diese so zu koordinieren, dass sie schnellstmöglich und zielgerichtet mit der Rettung und Versorgung der Verletzten beginnen können.
Hier setzt das Konzept von VirtualDisaster an. Die Forschungspartner wollen ein System für einen Tele-Einsatzleiter (Tele-EL) entwickeln, damit dieser sich mittels VR-Brille in das zuvor erstelle virtuelle Abbild der Einsatzstelle begeben kann und so die Einsatzkräfte vor Ort kompetent und wirksam unterstützen kann. Der Tele-EL kann so seine Funktion von einem beliebigen Standort, z. B. von der Feuerwache, ausüben, ohne selbst vor Ort sein zu müssen.
Drohnen liefern schnell und zuverlässig Informationen
Die Daten für die VR-Welt von VirtualDisaster liefern unbemannte Flugobjekte (Drohnen) mit 360°-Kameras und laserbasierten Abstandsmessern. Diese erstellen Bilder vom Einsatzort und senden diese an einen Hochleistungsrechner im Einsatzleitwagen (ELW). Daraus wird ein 3D-Abbild der Einsatzstelle berechnet. Der Tele-EL kann sich über eine VR-Brille in diese VR begeben, die Situation in Augenschein nehmen und beurteilen, bevor die ersten Einsatzkräfte vor Ort eingetroffen sind. Sobald die Flugobjekte an der Einsatzstelle gelandet sind, können sie einen Stream von 360°-Livebildern zur Verfügung stellen. Die in der Virtual-Reality gewonnenen Informationen und Bewertungen gibt der Tele-EL als fundierte Entscheidungsgrundlage an die Einsatzleitung weiter.
Erste Erprobung bei Übung in Aachen
Bei der Übung, die im „Floriansdorf“ der Berufsfeuerwehr Aachen durchgeführt wurde, stieß ein Bagger bei Bauarbeiten auf eine Bombe und löst so eine Explosion in der Nähe eines kleinen Dorfes aus. Bereits kurz nach der Alarmierung flogen zwei Drohen über die Einsatzstelle, die noch vor Eintreffen der ersten Einsatzkräfte erste Daten lieferten. Über die VR-Welt erhielt der Tele-EL sofort Bilder von der Situation am Unfallort. So konnte er sich schnell ein Bild vom Ausmaß der Explosion verschaffen. Eine entscheidende Information bestand darin, dass ein wichtiger Zufahrtsweg durch umgestürzte Bäume versperrt war. Die anrückenden Einsatzkräfte wurden darüber sofort informiert und es wurde eine alternative Zufahrtsmöglichkeit zur Einsatzstelle übermittelt. Außerdem wurde schnell ersichtlich, dass eine Vielzahl an Menschen verletzt waren, sodass unmittelbar - entsprechend der Lage - weitere Rettungskräfte nachalarmiert werden konnten.
Während des gesamten Einsatzes behielt der Tele-EL die Einsatzstelle im Blick, unterstützte die Kräfte mit Zusatzinformationen und konnte jederzeit auf die Dynamik der Lage reagieren.
Der Einsatz der Virtual-Reality erwies sich als entscheidend für die situationsgerechte Koordination und Unterstützung der Einsatzkräfte, da damit eine Beurteilung der Situation aus jeder Perspektive möglich war.
Viele Zusatzfunktionen
Bei VirtualDisaster stehen der Einsatzleitung neben den Bildern der Drohnen zahlreiche weitere unterstützende Zusatzfunktionen zur Verfügung. So können bspw. ein Sichtungsalgorithmus aufgerufen, Markierungen wie „Gefahrenstelle“ oder „Rettungswagen” sowie das vorliegende Hydrantennetz mit Zusatzinformationen aufgerufen werden.
Das Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, läuft seit Juli 2019 und endet zum Ende des Jahres 2021. Ein Folgeprojekt ist in Planung.
Bei der Übung am 9. Oktober 2021 wurde das innovative Konzept zum ersten Mal in einer Einsatzübung umfassend und öffentlich getestet.
Unterstützt wurde die Übung durch die Maskenbildnerinnen Andrea Lenes und Anke Adelt vom AIXTRA in Aachen, die die Verletzungen der Patienten und Patientinnen im Geschehen realistisch dargestellt haben.
Die Partner:
Die Feuerwehr Aachen ist mit ca. 400 Berufsfeuerwehrleuten und knapp 600 aktiven Kameraden und Kameradinnen der Freiwilligen Feuerwehr eine der größten Feuerwehren im Bereich der Euregio Maas-Rhein. Seit 2006 ist die Feuerwehr Aachen an den telemedizinischen Forschungsprojekten der Uniklinik RWTH Aachen beteiligt.
Der Lehrstuhl für Anästhesiologie, beheimatet in der Uniklinik RWTH Aachen, vertritt an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen die Disziplinen Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin in Lehre, Forschung und klinischer Versorgung. Der größte Teil der Notärzte sowie der Telenotärzte der Stadt Aachen werden von dieser Klinik gestellt.
Das Institut für Flugsystemdynamik (FSD) ist eine Lehr- und Forschungseinrichtung der Fakultät Maschinenwesen an der RWTH Aachen. Der Fokus der Forschungsaktivitäten liegt auf der flugsystemdynamischen Auslegung und Bewertung automatisierter, unbemannter Flugsysteme, sowie deren Steuerung und Regelung.
Die Computergrafik und Multimedia Gruppe des Visual Computing Institutes (VCI) der RWTH Aachen beforscht in erster Linie die automatisierte Verarbeitung von Geometriedaten, die damit zusammenhängende 3D-Modellerzeugung aus heterogenen Messdaten, sowie die Echtzeit-Visualisierung von großen Datenmengen.
TEMA Technologie Marketing AG ist ein weltweit tätiger Full-Service Marketing-Dienstleister für Technologie-orientierte Produkte und Unternehmen. Unter anderem entwickelt TEMA Szenarien in Virtual und Augmented Reality für Marketing, Training und Instandhaltung.
Aachen, den 13.10.2021
Weitere Informationen:
Dr. Günter Bleimann-Gather
TEMA AG
Tel. 0241 88970-100
bleimann_at_tema.de
Prof. Dr. Stefan Beckers
Aachener Institut für Rettungsmedizin und zivile Sicherheit (ARS)
Feuer- und Rettungswache 1
Berufsfeuerwehr Aachen
Stolberger Str. 155
52068 Aachen
ars_at_ukaachen.de
Die Szenarien
Das technische Szenario
Der Tele-Einsatzleiter kann sich mit Hilfe einer Virtual Reality (VR) Anwendung in die rekonstruierte Einsatzstelle begeben. Er sitzt vor einem Großbildschirm auf dem ein mit unterschiedlichen Informationen angereicherter Lageplan gezeigt wird und kann zusätzlich ein head-mounted display (HMD) zur Immersion nutzen.
Er kann auf drei Arten in der 3D-Welt navigieren:
- mit Hilfe einer Übersichtskarte,
- mit Hilfe von Sprüngen (Teleportation) und
- durch einen Flug durch die virtuelle Szene.
Wenn der Tele-Einsatzleiter einen Hotspot der Einsatzstelle live ansehen möchte, um beispielsweise mehrere Patienten zu sichten, kann er in einen Live-Stream einer bestimmten 360°-Kamera wechseln. Durch die Verbindung zwischen 360°-Kamera und UAS (unmanned aerial systems) kann diese sogar dynamisch umgesetzt werden, um wichtige Bereiche besser zu erfassen. An der virtualisierten Einsatzstelle kann der Tele-Einsatzleiter oder Tele-LNA im HMD zusätzliche Informationen einblenden, wie z.B. einen Sichtungsalgorithmus, und einzelne Markierungen wie Sichtungskategorien auswählen und Betroffenen zuweisen. Diese werden mit Ort- und Zeit-Stempel erfasst und stehen als digitale Informationen, beispielsweise auf einem Tablet an der Einsatzstelle zur Verfügung.
Letzteres erlaubt es, die Länge und Zugänglichkeit potenzieller Rettungswege realistisch zu bewerten. Um dies auf kleiner Fläche zu ermöglichen wird redirected walking als innovative VR-Navigationstechnik eingesetzt. Wenn er einen Hotspot der Einsatzstelle live ansehen möchte, um beispielsweise mehrere Patienten sichten zu wollen, kann er in einen Live-Stream einer bestimmten 360°-Kamera wechseln. Durch die Verbindung zwischen 360°-Kamera und unmanned aerial system (AUS) kann diese sogar dynamisch umgesetzt werden, um wichtige Bereiche besser zu erfassen. An der virtualisierten Einsatzstelle kann der Tele-Einsatzleiter oder Tele-LNA sich im HMD zusätzliche Informationen aufrufen, wie z.B. einen Sichtungsalgorithmus, und einzelne Markierungen wie Sichtungskategorien auswählen und Betroffenen zuweisen. Diese werden mit Ort- und Zeit-Stempel erfasst und stehen als digitale Informationen, beispielsweise auf einem Tablet an der Einsatzstelle zur Verfügung.
Mögliche Sicherheitsszenarien
Szenarien, für die der Einsatz von VirtualDisaster als Tele-Unterstützung relevant sein könnte, sind vielfältig. Neben dem großen Brandereignis und dem Massenanfall von Verletzten sind auch Großeinsatzlagen im Bereich der technischen Hilfeleistung, von Gefahrstoffunfällen und Unwetterlagen möglich.
Darüber hinaus sind zudem Einsatzmöglichkeiten bei kleinere Einsatzlagen, bis hin zum „Alltagseinsatz“ denkbar. Insbesondere die Vorsorge bei Großveranstaltungen, die im Zuge der zunehmenden Gefahr durch mögliche Terrorlagen von zunehmender Wichtigkeit ist und mit einem hohen Ressourcen-Aufwand verbunden ist, könnte von diesem System erheblich profitieren.
Mit Hilfe von VirtualDisaster ist die Reaktions- und Entscheidungszeit – insbesondere dann, wenn die Expertise von erfahrenen Führungskräften gefragt ist – auf ein Minimum reduziert, auch bei äußerst komplexen Einsatzlagen.
Konsortium
Berufsfeuerwehr Aachen (BF)
Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule (RWTH), Aachen
Lehrstuhl für Anästhesiologie (RWTH_AN)
Institut für Flugsystemdynamik (RWTH_FSD)
Visual Computing Institute (RWTH_VCI)
TEMA Technologie Marketing AG (TEMA)
Assoziierte Partner:
Malteser Hilfsdienst Aachen e.V., Aachen
Deutsches Rotes Kreuz gGmbH Städteregion Aachen, Aachen
MAC – Märkte und Aktionskreis City e.V., Aachen
DBRD Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V., Lübeck
Kontakt
Projektkoordinator:
Berufsfeuerwehr Aachen (BF)
Stolberger Str. 155
52068 Aachen
Projektleiter: Ltd. BD Dipl.-Ing. Jürgen Wolff
Tel.: 0241/432-370001
E-Mail: juergen.wolff_at_mail.aachen.de